Berlinalefieber

Schöne Momente von Mo bis So, 12.-25.2.2024

Mein persönliches Highlight im Februar ist seit bestimmt schon 20 Jahren mit wenigen Ausnahmen die Berlinale. Kurz hatte ich zwar überlegt, ob mir das in diesem Jahr zu viel wird. Dann aber hat mich das Berlinalefieber doch gepackt und ich habe das Filmfest gewohnt ausgiebig zelebriert. Nachdem ich es mir schon oft vorgenommen habe und dann doch nicht geschafft, klappt es in diesem Jahr endlich, das auch zu dokumentieren: Hier teile ich meine Begeisterung und nehme Euch mit auf meine Reise durch die Filme. Und da die beiden Berlinalewochen für mich untrennbar zusammengehören, fasse ich sie gleich zusammen. Achtung, es wird episch! 😉

Berlinaaale!!

Während andere Regionen Karneval feiern, haben wir in Berlin die Berlinale als Lichtblick im Februargrau. Für mich ist der Spaß an der Berlinale tatsächlich, innerhalb kurzer Zeit möglichst viele verschiedene Filme zu sehen, oft an die zwanzig in zehn Tagen. So viele verschiedene Eindrücke! Und dann kann ich mir den Rest des Jahres das Kino fast sparen, ich habe ja schon vorgearbeitet. 😅 Kleine Filme auf großer Leinwand, Applaus und Gespräche mit den Filmemachern, der wunderbare Berlinale-Trailer und die Spannung, sich die Tickets erst erjagen zu müssen – all das gehört zum Zauber der Berlinale für mich dazu. Und dann noch mein kleines Berlinalespiel: Für ausgewählte Filme kaufe ich auf gut Glück oft zwei Tickets und frage im Freundeskreis herum, wer mich begleiten möchte. So treffe ich teils Freunde und Bekannte, die ich lange nicht gesehen habe.

Mein Berlinalefieber fängt schon mit der Auswahl an – ein komplexes Raum-Zeit-Problem, Entscheidungstraining und FOMO-Trigger. 😉 Neben der Filmauswahl geht es dabei auch um die Wahl der besten Zeit und des schönsten Kinos, und den Weg von A nach B plus Pufferzeit gilt es auch mit zu bedenken. Maximal gut vorbereitet mit einem klaren Plan sitze ich also ab Verkaufsstart fast jeden Morgen mit der Atomuhr im Blick und klopfendem Herzen vorm Rechner und drücke um Punkt 10:00 auf Aktualisieren. Trotzdem klappt es nicht immer, manche Filme sind in Sekundenschnelle vergriffen. Drauf klicken geht noch, ich freue mich kurz, beim Buchen dann die Fehlermeldung: “nicht mehr verfügbar”. Und währenddessen habe ich dann wertvolle Sekunden für den zweiten Film verloren. Und so wie im Bild rechts sieht mein Programm dann aus mit den Filmen, die ich tatsächlich gesehen habe.

Das persönliche Berlinale-Programm ist also immer auch ein bisschen Glück und Zufall. Die besondere Schwierigkeit: Die Filme wandern ja erst nach und nach in den Verkauf – in der Regel drei Tage vorher – und während der Wunschfilm an einem Tag leicht zu bekommen war, kann er zum Wunschzeitpunkt sofort ausverkauft sein. Dann passt er aber woanders nicht mehr ins Programm und fällt damit leider raus. Young Hearts zum Beispiel habe ich so nicht mehr erreicht und auch der von vielen empfohlene Crossing ging mir leider durch die Lappen. Ich hoffe, dass beide ins normale Kino kommen. Young Hearts zumindest ist jetzt auch bei Edition Salzgeber, die Chancen stehen also gut. – Diese 17 Filme habe ich gesehen:

Mit Klick auf den Link in der Liste kommst Du direkt zu den Filmen, die Dich interessieren. Ich zeige übrigens nur eigene Fotos von den Spielorten, um etwaige Diskussionen um Bildrechte zu vermeiden.

🎬 Migration & Schule >> 🎞️ Favoriten | 🎞️ Sieger sein

Ich mag es dann, wenn sich in meinem Berlinale-Programm zufällig thematische Ähnlichkeiten ergeben. Daher sortiere ich die Filme im Text ein wenig, auch wenn das dann gar nicht meiner chronologischen Reihenfolge entspricht. So hatte ich jetzt mehrere Filme rund um das Thema Migration, zwei davon im Schulkontext.

Mein Startfilm Favoriten porträtiert über drei Jahre eine Grundschulklasse in Wien und das Engagement der Lehrerin im Umgang mit der kulturellen Vielfalt und den fehlenden Deutschkenntnissen der Schüler:innen. Von der Machart ein sehr konventioneller Dokumentarfilm, zeigt der Film doch einige berührende Momente, zum Beispiel, wenn die Kinder stolz die zuhause erlernten traditionellen Tänze präsentieren, sich gegenseitig filmen oder auch mit den Eltern zum Lehrergespräch kommen.

Einer *meiner* Favoriten war am Montag im tollen großen Zoopalast der Film Sieger sein. Die Hauptfigur Mona ist neu an einer Weddinger Schule – bei mir um die Ecke also. Sie ist mit ihrer Familie aus Syrien geflüchtet und wird als Neue in der Klasse bös gemobbt. Erst als sie sich im Fußballturnier unter Beweis stellen kann, findet sie Freunde und Anerkennung. Toller Film!! Detlev Buck war einer der Co-Produzenten. Mit dem Mobbingthema und einer Hauptfigur, die sich über einen Wettbewerb da raus kämpft und zu sich findet, erinnert mich der Film an einen meiner Lieblinge vom letzten Jahr: Dancing Queen.

🎬 Experimentell >> 🎞️ Shahid | 🎞️ Reas | 🎞️ Pilze

Besonders gut gefallen hat mir auch der experimentelle Film Shahid im Delphi am Zoo, für den ich extra etwas früher aus  Favoriten gegangen bin. In den habe ich mich schon beim Trailer verliebt! Das Spiel mit verschiedenen Ebenen, die abgefahrenen Tanzszenen und Kostüme – super!

Im Filmgespräch wies die megasympathische Regisseurin Narges Kalhor aus dem Iran, die 2009 selbst politisches Asyl in Deutschland beantragt hat, darauf hin, dass leider Unterschiede gemacht werden: Es gibt Asylanten erster und zweiter (und dritter) Klasse. Sie hatte einen bekannten Namen, bei ihr ging es sehr schnell. Andere warten Jahre – oder werden abgeschoben. Auf fluter gibt es ein tolles Interview mit ihr. Shahid soll ab 1. August ins Kino kommen. Der Film ist eine Koproduktion mit dem ZDF – Das kleine Fernsehspiel, kommt also auch ins Fernsehen.

Zum Filmgespräch hat die Regisseurin dann alle und wirklich alle vom Team auf die Bühne geholt (okay, einer konnte nicht nach Berlin kommen und wurde schmerzlich vermisst), links und rechts sind sie im Basket-Schritt an den Zuschauerreihen vorbeigetanzt – und dann durfte sich jede:r selbst vorstellen: “Ich bin … und bin rückwärts durchs Bild gelaufen.” Also echt bis hin zu den kleinsten Rollen! Meeeega sympathisch!! Der Film wurde dann auch noch zweimal bei mir im Wedding gezeigt, in der Betonhalle vom Silent Green und im neuen Sinema Transtopia. Aber da ich ihn unbedingt sehen wollte, habe ich zur Sicherheit lieber die Premiere im großen Delphi gewählt.

Dazu passt der queere Film Reas von Lola Arias, oft als Gefängnis-Musical umschrieben, der auch mit tollen Tanzszenen arbeitet, vor allem Voguing (worüber ich vor Jahren mal eine Doku auf der Berlinale gesehen habe), aber auch ein schöner Hochzeits-Jive. Von der Machart wirkt er wie eine Doku, ist aber eindeutig inszeniert und lebt absolut von den spannenden Charakteren. Transmann Nacho hat eine tolle Bühnenpräsenz und ist in seiner Hart-Weich-Mischung total zum Verlieben. Die zahnlose Voguingqueen hat mich begeistert und natürlich Yoseli, die blonde Drogenhändlerin im Zentrum des Films. Sicher kein Mainstream, aber absolut sehenswert! Einen guten Einblick und ein paar tolle Hintergrundinfos bekommt man im Interview mit Lola Arias auf arte.

In der Betonhalle habe ich dann eine Art Filmperformance gesehen, die ich immer nur “die Pilze” nenne, weil der Name Nanacatepec so unaussprechlich ist. 50 Minuten “Diashow” mit unscharfen Naturphotos, oft zwei Bilder nebeneinander projiziert, dazu Musik. Ich mag sowas ja, am Anfang habe ich mich aber doch gefragt, was das soll? Da waren die Bilder wirklich unästhetisch. Das wurde zum Ende aber besser, so dass ich in etwa bekommen habe, was ich erwartet hatte. Nett war außerdem, dass ich noch zufällig Nachbarn dort getroffen habe und kurz mit ihnen gequatscht, das ist ja bei mir um die Ecke.

Da es nach der Berlinale zu großen Diskussionen kam, hier mein einziges komisches Erlebnis: Der Moderator erklärte vor dem Film kurz und knapp, zwei Filme in der Experimentalfilm-Sektion Forum Expanded hätten ihre Teilnahme wegen des Streikaufrufs “Strike Germany” leider abgesagt (künstlerischer Boykott Deutschlands wegen zu starker Israelfreundlichkeit). Als daraufhin etwa 80% des eher jungen Publikums applaudierten, war ich echt irritiert. Habt ihr nicht zugehört oder seid ihr wirklich für “Strike Germany”?!

Was ich im Tagesspiegel dazu lese, kann ich jedenfalls nicht unterstützen und habe daher nicht applaudiert:

“Ayo Tsalithaba stammt aus Ghana und Lesotho, schließt sich ausdrücklich ebenfalls der ‘Strike Germany’-Kampagne an und schreibt auf Instagram: ‘Dies ist eine Reaktion auf die rassistische und faschistische deutsche Regierung, auf Zensur, Unterdrückung, und die Billigung unsäglicher Gewalt gegen Palästinenser UND auf die Unterstützung der Militärschläge der USA und Großbritanniens gegen den Jemen.'”

Mit einem eigenen Kommentar dazu kann man sich ja derzeit nur in die Nesseln setzen, erst recht jetzt nach dem Hilfslieferungsdesaster. Ich hoffe, es gibt endlich, endlich eine friedliche Lösung für diesen verworrenen Konflikt!

🎬 Fremde Kulturen und Landschaften >> 🎞️ Raiz | 🎞️ Shambhala

Dann gibt es auch immer wieder die Kategorie Filme, bei denen es mir hauptsächlich um die Bilder und den Einblick in fremde Kulturen und Landschaften geht, wie bei Raíz | Durch Felsen und Wolken. Ein ganz ruhiger Film mit vielen Einblicken in die Landschaft und das Leben im ländlichen Peru mit tollen Trachten, Alpakas und Schäferhund. Nebenbei aber auch ein Plädoyer für den Erhalt der Landschaft und gegen die Ausbeutung durch den Bergbau. Die Hauptdarsteller des Films und der Vater des Jungen waren extra aus Peru angereist und haben uns auf der Bühne ihre Trachten vorgestellt.

Die Q&As nach dem Film, zumindest in den ersten Tagen, sind ein weiteres Highlight der Berlinale. Die Filme werden im Original gezeigt mit deutschen und/oder englischen Untertiteln. Bei den Kinderfilmen wird der deutsche Text zusätzlich live eingesprochen. Allein das ist schon ein tolles Erlebnis! Überhaupt sind die Filme der Sektion Generation auf der Berlinale der Hit!

Beim Wettbewerbsfilm Shambhala, der in Nepal spielt, habe ich zunächst Ähnlichkeiten zu Raiz gesehen: Die Berglandschaft, das einfache Dorfleben, Viehzucht und bunte Trachten. Die Geschichte rund um Liebe und Eifersucht hat sich dann aber sehr anders entwickelt und auch die Landschaft wurde immer dramatischer. Bisweilen unlogisch, aber ein echter Berlinalefilm der Kategorie fremde Kulturen und Landschaften! Toll!! Vor allem auf der großen Leinwand im Haus der Kulturen der Welt. Das liebe ich ja sehr!

Da wir aufgrund einer Preisverleihung vorher verspätet angefangen haben, durften wir nach dem Film übers Dach raus. Ich habe den tollen Saal nochmal aus ganz neuen Perspektiven gesehen und der Blick auf dem HKW-Dach ist einfach großartig! (Mal abgesehen von der Baustelle im Vordergrund.)

🎬 Noch mehr Liebe >> 🎞️ Between The Temples | 🎞️ Black Tea

Um die Liebe ging es auch in Between the Temples, eine Art Harold-and-Maude-Geschichte. Hier hat mich die körnige Bildsprache allerdings nicht so angesprochen und das war für mich eher kein typischer Berlinalefilm, eher normales Kino. Letztlich hatte ich ihn auch nur gebucht, weil ich für meine Favoriten keine Tickets bekommen habe. Die Hauptdarstellerin Carol Kane war allerdings allerliebst!! Und meiner Begleitung hat der Film sehr gut gefallen.

Der Wettbewerbsbeitrag Black Tea ist ebenfalls sehr ruhig und mit tollen Bildern. Die Farben und Muster! Die tollen Kleider und Frisuren! Die Landschaften! Der Film spielt hauptsächlich in China, aber auch an der Elfenbeinkuste und den Kapverden. Die (Liebes-)Geschichte hinterlässt bisweilen Fragezeichen und hat (leider) ein offenes Ende. Aber ich mochte die Stimmung, habe erstaunt gelernt, dass es in China anscheinend eine große afrikanische Community gibt, dass die jüngere Generation ganz anders drauf ist als die traditionsbewussten Erwachsenen und die Großeltern rassistische Gedanken zum Fremdschämen äußern. Toll gefallen hat mir die Technik, Bilder übereinander zu blenden wie einem Blick durch eine reflektierende Schaufensterscheibe.

Nach dem Film haben wir noch den herrlichen Sonnenuntergang genossen und erstaunt festgestellt, dass wir uns zuletzt zur Berlinale 2020 gesehen hatten. Fühlt sich an, als hätten wir uns erst gestern getroffen!

🎬 Bilderfluten >> 🎞️ Architecton | 🎞️ I’m Not Everything I Want to Be | 🎞️ The Secret Drawer

Zur bildlastigen Kategorie zählt auch der Wettbewerbsfilm Architecton. Vom Regisseur Victor Kossakovsky hatte ich bereits Gunda gesehen (den ich großartig fand) und Aquarela steht schon länger auf meiner Liste, daher ahnte ich in etwa, was mich erwartet: ein bildgewaltiges Epos mit beeindruckenden Drohnenaufnahmen einer kriegszerstörten ukrainischen Stadt und einer durch ein Erdbeben zerstörten Stadt, Nahaufnahmen von Steinlawinen und zermalmten Steinen im Steinbruch, Details antiker Säulen und Bögen und ein Beton-3-D-Drucker bei der Arbeit – und zwischen all dem immer wieder ein italienischer Architekt mit Rauschebart und Anselm-Grün-Kutte, der in seinem Garten einen Steinkreis legen lässt.

Die Szenen mit dem Architekten sind die einzigen mit Text und wirken zwar recht entspannend zwischen all den Bildexplosionen, so richtig passend aber nicht. Hinter all dem steht wohl die Frage, wie wir eigentlich leben wollen und warum wir Häuser aus Beton für 40-80 Jahre bauen, wenn antike Bauten doch ganze Jahrtausende überdauern können? Und die Frage, wie das Material altert. Das haben wir uns allerdings auch im Architekturstudium schon diskutiert, ist also nicht neu. Überrascht hat mich die Aussage, dass Beton nach Wasser das meistverwendete Material der Welt ist. Wenn man die CO₂-Bilanz bedenkt … Einen Berg zu zermahlen, um daraus Beton zu machen, wie im Film dargestellt, wirkt jedenfalls irgendwie absurd. Würde ich den Film empfehlen? Ich weiß es nicht. Wenn, dann aber in jedem Fall auf der großen Leinwand! Es ist schon sehr faszinierend, wie die Steine durch die Bewegung zum Leben erweckt werden. Das wirkt aber nur im Kino.

Überrascht war ich von I’m Not Everything I Want to Be – einer meiner Lieblinge dieses Jahres. Ein großartig geschnittenes Porträt der mir bis dato unbekannten Fotografin Libuše Jarcovjáková. Im anschließenden Gespräch sagte jemand, sie sei die Nan Goldin des Prager Frühlings, und ich finde, der Vergleich passt. Der Film arbeitet nur mit ihren Fotos – fast ausschließlich Schwarz-Weiß und voll aus dem Leben –, Tagebucheinträgen und passenden Sounds. Die teils unscharfen oder verwackelten Bilder wirken auf mich sehr emotional und sind ein wunderbares Gegenbild zur glatten Instagram-Welt. Tatsächlich hatte ich voriges Jahr das gleiche Gefühl in der Nan-Goldin-Ausstellung. Die vielen Selbstporträts und ihre Streetphotography erinnern mich an Vivian Meier.

Libuše hat 1968 in Prag angefangen zu fotografieren und war in Tokio und Berlin. Ihre Erinnerungen sind geprägt von der Suche nach Heimat und Anerkennung, Liebe, Sex, Einsamkeit und Depression. Spät findet sie die passende Liebe, noch später die Anerkennung als Fotografin mit einer Ausstellung in Nîmes. Der Trailer auf der Berlinale-Seite gibt bereits einen kleinen Eindruck vom tollen Filmschnitt, im arte-Interview gibt es dann noch ein paar Eindrücke von Libuše dazu. Edition Salzgeber, kommt im Herbst ins Kino. Große Empfehlung!

Das leitet ganz wunderbar über zum Thema Erinnerungen und “Familienerbe/Familiengeschichte”. The Secret Drawer widmet sich der Frage: Was mache ich, wenn ich zu viele Erbstücke und Erinnerungen von den Eltern habe? Darf ich deren “Geheimschubladen” öffnen? Mit diesem Thema kann ich mich grad sehr gut verbinden. Die Filmemacherin nimmt uns mit in das umfangreiche Archiv ihres Vaters, eines italienischen Journalisten. Ein ganzes Haus voller Fotos, Filme, Bücher und Kunstwerke hat er hinterlassen. Das meiste vermacht sie der öffentlichen Bibliothek und damit professionellen Archivaren und filmt den Prozess des Sichtens, Ausräumens und Archivierens. Verwoben ist dies mit den Aufnahmen ihres Vaters: tolle Fotos und Filmschnipsel der Nachkriegszeit, unter anderem aus Berlin. Und mit Bildern des großen Erdbebens in Gibellina auf Sizilien 1968, was wiederum mit den Bildern des Denkmals zu Architecton verlinkt. Ich würde den Film gerne nochmal auf Deutsch sehen, um bei den tollen Bildern nicht abgelenkt zu sein von den (viel zu schnellen) englischen Untertiteln.

🎬 Geschichte >> 🎞️ Treasure | 🎞️ In Liebe, Eure Hilde

Der Spielfilm Treasure erzählt warmherzig und humorvoll von einer Vater-Tochter-Reise 1991 zu den familiären Wurzeln in Polen. Der Vater ist Auschwitz-Überlebender, die vor einem Jahr verstorbene Mutter auch. In großem Schweigen aufgewachsen, ist die Mittdreißigerin “Ruthie” (vom Vater “Pumpkin” genannt) auf der Suche nach Halt im Leben, Familiengeschichte und Erinnerungsstücken. Das klingt nach Schwere und Drama, ist aber im Gegenteil die berührend und leichtfüßig umgesetzte Geschichte einer Vater-Tochter-Annäherung. Diesen Film empfehle ich auf jeden Fall in OmU! – In den Kritiken, die ich danach gelesen habe, wird der Film bisweilen arg verrissen. Zu seicht, nicht angemessen, schwierig bis ärgerlich in der Überzeichnung der polnischen Figuren. Ich kann die Kritik in allen Punkten nachvollziehen. Trotzdem habe ich es beim Schauen anders empfunden und vielleicht mehr das Gefühl dahinter wahrgenommen, die Familiengeschichte. Ich persönlich fand es einen seeeehr schönen Film. Aber das kann man auch ganz anders sehen.

Genauso erging es mir mit In Liebe, Eure Hilde. Auch dieser Film von Andreas Dresen über Hilde Coppi, die mit ihrem Mann Hans Teil der (von der Gestapo so betitelten) Widerstandsgruppe Rote Kapelle war und kurz vor ihrer Hinrichtung im Gefängnis den gemeinsamen Sohn geboren hat, kommt in den Kritiken bisweilen nicht gut weg, wie hier beim rbb: zu brav, zu konventionell, zu wenig berührend. Ich habe es anders empfunden. Ich fand ihn großartig und unbedingt sehenswert! Gerade, dass die Repräsentaten des Systems hier nicht alle als brüllende Nazis gezeigt werden, sondern bisweilen freundlich und zuvorkommend, dürfte der Realität ein Stück näher kommen und zeigt die große Gefahr dieser Systeme. So wie meine Tante bis heute sagt: “Aber der Bund deutscher Mädels war doch nicht schlecht? Wir haben doch schöne Sachen gemacht da!?” – Gerade die Normalität, gerade die Nettigkeit ist ja das perfide. Die Akten in Schönschrift, die mich auf meiner Gedenkstättenfahrt nach Stutthoff 1989 nachhaltig berührt haben. Hier ist es die Gefängniswärterin, die am Ende Hilde sogar beim Gnadengesuch unterstützt. Oder der Pfarrer, der als Seelsorger so mitfühlend dabei ist und letzte Nachrichten der Verurteilten übermittelt – dann aber eben auch Teil des Systems ist und den Hinrichtungen beiwohnt. Dieses leise “aber ich habe doch nur meine Pflicht getan” einerseits. Und eben andererseits, dass auch der Widerstand in kleinen, leisen Schritten daherkommt, sich nach und nach ergibt, weil wir mitmachen bei dem, was unsere Freunde tun. Es ist nicht unbedingt der große Entschluss, jetzt Widerstandskämpfer:in zu werden, sondern das Tun im Kleinen. – Auf swr Kultur gibt es eine schöne Kritik, die meiner Wahrnehmung des Films entspricht, falls Du mehr lesen möchtest. Und auch hier gibt es wieder ein kleines arte-Interview. Der Film kommt im Herbst ins Kino.

🎬 Finale >> 🎞️ All Shall Be Well | 🎞️ My Favourite Cake | 🎞️ Betânia

Der letzte Sonntag ist ja traditionell der Berlinale-Publikumstag. Da gibt es keine Filmgespräche mehr, aber leicht erreichbare Tickets zum vergünstigten Preis. Entsprechend habe ich mir den Tag vollgehauen mit vier Filmen. Oups! Nach Hilde ging es zu All Shall Be Well im Titania Steglitz. Die Leiterin Rissenbek erzählt uns auf der Bühne, dass das alte Titania, damals noch mit großen Saal, der Austragungsort der ersten Filmfestspiele war. Ich war in diesem Jahr zum ersten Mal dort, gleich mit drei Filmen, und bin verblüfft über die riesige Leinwand, die da ganz nah ist.

Der Film zeigt die Geschichte von Angie, einer Frau in Hongkong, deren Partnerin Pat unvermittelt verstirbt. Obwohl von der Familie der Verstorbenen als Frauenpaar geliebt und anerkannt, kommt es dann doch zu Auseinandersetzungen ums Erbe. Pat hatte ihr Testament zwar vorbereitet, aber noch nicht abgeschlossen. Und so sieht sich Angie, die nach Pats Willen Alleinerbin geworden wäre, unvermittelt vor dem Problem, zugunsten der Familie aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen zu sollen. Für mich einerseits die universelle Warnung, sich gegenseitig abzusichern. Und andererseits gibt es viele kleine, entwürdigende Szenen, in denen Angie nicht als nahe Angehörige behandelt wird, sondern nur als beste Freundin, und damit hinter die Familie zurücktreten muss. Überall der gleiche Mist! Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich mehr auflehnt. Aber sie ist ein stille, zurückhaltende Person, die sich dann eben beugt.

Die einsame 70-jährige Hauptfigur in My Favourite Cake dagegen lehnt sich leise auf gegen das iranische Regime und die Nachbarn, indem sie einen fremden Taxifahrer spontan zu sich nach Hause einlädt. Die beiden haben den Abend ihres Lebens bei Musik, Wein (ebenfalls verboten) und Tanz, sind fröhlich und kommen sich näher. Der Beginn einer wunderbaren Romanze – bis etwas Unerwartetes passiert … Ein toller Film!! Schade, dass er keinen Bären gewonnen hat. – Eigentlich sollte das mein letzter Film sein (und der, den ich zuerst gebucht hatte, leider in Reihe 3), schön im Berlinale-Palast. Da bin ich ja sonst nicht. Aber dann habe ich mir kurzfristig noch einen vierten Film gebucht im wunderbaren Zoopalast 2.

Von der Geschichte in Betânia habe ich dann allerdings nur noch partiell etwas mitbekommen. 😉 Das war zu erwarten. Daher weiß ich nicht, ob sich das inhaltlich lohnt. Egal, ich war eh vor allem da, weil mich die Landschaft interessiert. Das spielt nämlich in einem Naturschutzgebiet in Brasilien, dem Lençóis Maranhenses, wo sich große Sanddünen wüstenartig ausbreiten und immer wieder von Lagunen und dem Wasserlauf eines sich stets verändernden Flusses durchzogen werden. Hast Du das schonmal gesehen? Schau mal in den Trailer unten auf der Berlinale-Seite. Toll, oder? Ich fand, das war ein würdiger Abschluss und so habe ich die Berlinale buchstäblich bis zur letzten Minute ausgekostet.

… und vorab noch ins Kino: Perfect Days

Kurz vor Berlinale-Start bin ich am Dienstag noch rasch ins Kino gegangen. Perfect Days von Wim Wenders stand schon lange auf meiner Liste. Ich war erstaunt, dass der sich so lange im Kino hält. Aber das ist auch wirklich ein schöner Film. Wenn es einen Film gibt, der meine Philosophie der kleinen Freuden beschreibt, dann wohl dieser hier. Die Hauptfigur Hirayama, Toilettenputzer in Tokio, findet Freude im ganz Alltäglichem: Musik, einem guten Buch, dem Lichterspiel der Sonnenstrahlen im Laub. Gut gefallen haben mir auch die Traumszenen in schwarz-weiß. Und die vielen Eindrücke von Tokios Straßen und Wohnvierteln. Und natürlich die Toilettenhäuschen, die der eigentliche Anlass für den Film waren. Allesamt von bekannten Architekten entworfen. Das spricht mein Architektenherz natürlich an! Aber Vorsicht: Ich habe auch schon Stimmen gehört, denen der Film zu langsam war. 😉

Was war noch los?

Natürlich war ich nicht nur auf der Berlinale in den beiden Wochen. Meine sonstigen Freuden beschreibe ich aber im nächsten Bericht genauer, das wird sonst zuuu lang. 😉 Hier nur kurz ein paar Stichworte:

  • erste Frühlingsblüher zeigen sich und kleine grüne Blättchen an den Sträuchern: Schneeglöckchen, Krokusse, Szilla
  • zur Erinnerung das Ballhaus-Buch geleistet und seeeehr nett mit der Verkäuferin geplaudert – so macht Kaufen Spaß!
  • mit meiner Schwester in Familienerinnerungen geschwelgt

 

Das war jetzt wieder sehr viel. Ich hoffe, ich konnte Dich ein bisschen mitnehmen in meine Berlinale-Begeisterung. Warst Du auch schonmal bei der Berlinale oder bei einem ähnlichen Festival?

Ganz herzliche Grüße

Mit meinem Journal möchte ich dazu anregen, die schönen Momente und Erfolge der Woche zu notieren und sie damit stärker bewusst zu machen und im Gedächtnis zu verankern – UND jede Woche mehr solcher kleinen Glücksmomente aktiv einzuplanen. Ganz bewusst als Ausgleich zu dem, was uns nervt, stresst und Sorgen bereitet. Denn auch das gehört ja zum Leben dazu. Und oft genug vergessen wir darüber die vielen kleinen Glücksmomente.

Hier teile ich einige meiner schönen Momente der Woche. Kleine und große. Vielleicht findest Du darin ja die eine oder andere Inspiration.

🍀

Auf die Reihe “Glücksmomente der Woche” bin ich aufmerksam geworden über den wunderbaren Blog flowers-and-candies.de von Maike Kranaster. Die Reihe wurde von fraeulein-ordnung.de initiiert. “Was hat Dich in dieser Woche glücklich gemacht?” Diese Frage stellt sie jede Woche in ihrem Blog.

Wer Lust hat, kann gerne beim Wochenglück-Rückblick mitmachen und sich bei ihr bis Sonntagabend verlinken. So können wir gemeinsam unser Glück, die schönen Momente und fröhlichen Stunden festhalten.

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Alltagswochen

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Über die Schaffensfreude Wenn Du meinen Blog öfter liest, denkst Du vielleicht, bei den schönen Momenten der Woche ginge es vor allem um Freizeitvergnügen. Aber hey, die meiste Zeit verbringen wir ja doch mit Arbeit und damit kommt das Thema Schaffensfreude ins Spiel....

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